Ins Land, wo die Zitronen blühen, zog es heuer gleich vier Teams aus Österreich, und zwar Hübner auf Bugatti 37, Kidery auf Steyr XX, Schüpferling auf Lancia Lambda und uns mit dem Auburn 8-90. Während unsere Freunde aus Ostösterreich eine kurze und bündige Anreise mit Transporter bevorzugten, wollten wir auch die Mille Miglia storica „mitnehmen“. Also reisten wir schon am 18. ab, zuerst nach Innsbruck, dann weiter nach Sirmione, wo am Abend des 19. die Abendetappe des so traditionsreichen Straßen“rennens“ durchrasen oder, naja, durchfahren sollte. Im Endeffekt war es vielmehr ein sehr zähes stop-and-go, da sich zahlreiche Fans und Adabeis mit ihren Gefährten, vom Cinquecento bis zum McLaren-Mercedes SL in die Kavalkade gemischt hatten. Spaß gemacht hat’s auf jeden Fall. Ein weiteres Mal haben wir die nunmehr öligen, rußigen und müden Krieger am Weg zurück von Rom nach Brescia am Samstagabend in Cremona beobachten können, und natürlich haben dann etliche, die am Gardasee noch dabei waren, gefehlt.
In Genua trafen sich schließlich 28 Teams, mit Fahrzeugen der Baujahre 1926 – 1965, darunter zwei WO Bentleys, ein Horch 930 V und ein Citroën DS 19 le Dandy Coupè von Chapron, durchwegs fein restauriert. Italiener, Deutsche, Schweizer und Engländer waren außer uns Österreichern dabei.
Nach einer etwas bewegten Überfahrt auf einer trotzdem komfortablen Fähre folgte ab Olbia eine weite Reise quer durch die Insel nach Cagliari bzw. den Badeort Pula, etwas südlich der sardischen Metropole, wo wir uns in einem schön ausgestatteten und gepflegten Hotel namens „Baia di Nora“ für die nächsten vier Nächte einrichteten. Die nächsten Tage brachten uns die Schönheiten der Süd- und Südwestküste und zweier geradezu unglaublicher Tropfsteinhöhlen näher; um genau zu sein, nur bei einer (Is Zuddas bei Teulada) handelt es sich um eine echte Tropfsteinhöhle, also um einen Hohlraum, der von Natur aus über ein Tunnelsystem erreichbar ist. Das andere Gebilde bei Iglesias ist eine Geode, also eine allseits umschlossener Höhle – dieser wurde bei einer Erweiterung des dortigen Bleibergwerkes 1952 angebohrt und ist auch nur mit bergmännischen Transportmitteln, wie sie aus unseren Salzbergwerken bekannt sind, zu erreichen.
Am Rückweg zum Hotel, nahe am sardischen Südkap, ertönt plötzlich beim Zwischengas zum Herunterschalten ein fürchterlicher Knall aus dem Motorraum. Notstopp, gerade bei einem kleinen Parkplatz. Flüssigkeit rinnt unter dem Motorraum hervor – Wasser und Kühlmittel, kein Öl. Trotzdem: die Motorhaube kann ich nur mit zitternden Händen öffnen. --- Schlimm, aber nicht so schrecklich wie denkbar (Pleuelbruch…): die Halterung des Ventilatorlagers hatte sich gelöst, der laufende Ventilator hatte mit anderen Motorteilen Berührung bekommen. Ein Flügel war abgerissen, ein anderer hatte sich verbogen und eine tiefe Furche durch das Kühlernetz gezogen.
So. Wie bekommt man ein motorloses 1.800 kg-Auto über einen Pass (oder eine kurvige und fast ebenso steile Küstenstraße) die 40 km zum Hotel? Ohne großen Abschleppwagen? Nicht mit den Begleitfahrzeugen Fiat Stilo und dgl. Aber bis Teulada abschleppen geht gerade. Dort hatten unsere fürsorglichen Begleiter eine Renault-Werkstatt ausfindig gemacht, wo man den Auburn wenigstens über Nacht abstellen konnte. Der Chef begrüßte uns mit schmutzigen Händen – an sich ein gutes Zeichen…
Gianalberto d’Amassa, der „Big Boss“, ließ sein telefonino glühen – Kühlerdienst in Cagliari? Örtliche Oldtimerspezialisten? „Vediamo“ (in Wahrheit ein 10 Minuten langer italienisch-englischer Wortschwall). Am nächsten Morgen (ohnedies fahrtfreier Tag) taucht Adolfo auf, örtlicher Oldtimerspezialist, der gerade (als sein 20. Auto) einen 11 CV restauriert und über allerhand Edelschrott verfügt. So auch über einen Kühler eines alten Militär-Dodge. Könnte der helfen? Also, zuerst wieder nach Teulada, Besichtigung, detaillierte und emotionelle Diskussionen, Telefonanrufe. Dann gehen wir auf einen Kaffee. Fahrt nach Cagliari, ein paar Meter Gummischlauch und Schlauchbinder besorgen. Besuch in Adolfos Garten der blechernen Lüste. Kühler hervorgekramt und gereinigt, Ventilator zusammengeschweißt. Wieder zurück nach Teulada. Diskussionen. Inzwischen ist es eins. Also: Mittagessen. Weitere Diskussionen. Ich versteh davon zwar keine 5 %, aber es wirkt alles eminent kompetent. Nur geht nix weiter..… man krümmt sich (nur innerlich – äußerlich immer schön freundlich bleiben, die wollen ja helfen!). Morgen soll es schließlich schon wieder zurück nach Olbia gehen. Inzwischen ist es drei Uhr nachmittags. Wir fahren endlich zur Werkstatt. Und plötzlich bricht ein wüstes Ballett der Arbeit los, und die Solisten Domenico, Adolfo und Raffaele sägen, flexen, schweißen, hämmern, funktionieren alte Auspuffstücke zu Leitungsknien um, schrauben an Schlauchbindern – und in eineinhalb Stunden entsteht ein Gestell zur Montage des Hilfskühlers, Abstützung am Originalkühler, werden Leitungen um den originalen Kühler herum gelegt, aus dem Thermostat hinaus, bei der Pumpe hinein… Schon der erste Versuch: alles dicht, nur langsame Erwärmung, auch unter Last. Vorsichtige Begeisterung, Händeschütteln, Umarmungen. Dann heim zum Hotel, vorsichtshalber der Küste entlang. Nie mehr als 180 Grad F, wenn auch in der kühlen Luft, die vom Meer herein zieht. Der Abend im Hotel war nicht nur wegen Christian Hübners Geburtstag recht fröhlich.
Die Fahrt zurück nach Olbia entpuppte sich dann aber doch recht schwierig – es war um Cagliari schon um 10 Uhr morgens sehr heiß, und die Strecke steigt lange Zeit an. Unter eifriger und fürsorglicher Assistenz des Rallyemechanikers Raffaele, der unermüdlich Wasser organisierte, um den Kühler von außen zu kühlen, oder das Kühlwasser auszutauschen, schafften wir es aber bis zur Mittagspause irgendwo in den Bergen. Und von dort bis zum Hotel „Luna Lughente“ ging’s meist bergab, und wir näherten uns wieder milderen thalassischen Gefilden.
Sicherheitshalber ließen wir den Auburn beim Hotel stehen und vertrauten uns für die kurzen Fahrten der drei nächsten Tage der Gastfreundschaft von Poldi und Werner und deren Lancia an. Nochmals: Danke dafür! Eine Schiffsrundfahrt entlang der Costa Smeralda und eine Fahrt mit der Schmalspurbahn nach Tempio Pausania waren die Höhepunkte im Norden. Auf der Bootsfahrt gab es einen sehr sprachkundigen Führer, der uns aber mit der Erklärung, dass in einem Hafen gelegentlich amerikanische Kernunterseer anlegten, doch einigermaßen verblüffte. Sollte das was mit den Kern Buam und Hansi Hinterseer zu tun haben? Nein. Grübelgrübel… Die Erleuchtung kam uns einige Gläser Cannonau (oder war’s Monica?) später: Der meint ja Atom-U-Boote!!
Dank der köstlichen Fantasie einiger Amateur-Animateure unter den Rallyehelfern (im Zivilberuf Ärzte, bei der Carovana offiziell als Motorradstreifen zur Regelung an schwierigen Abzweigungen) gab’s weit über das geplante Programm hinaus (in diesen fällen: absichtlich) quietschvergnügte Einlagen, Jux und Tollerei.
Die Kulinarik kam natürlich auch nicht zu kurz (es gab unter den von uns besuchten Restaurants zu unserer uneingeschränkten Freude anscheinend einen Wettbewerb um das knusprigste Spanferkel der Insel), und viele Mahlzeiten waren von Volks-, Tanz- und Unterhaltungsmusik erfreulich hoher Qualität umrahmt. Die einzige Organisationspanne passierte ausgerechnet beim heiligen Mittagessen: auf der Isola Maddalena waren wir (wegen Tausches Schifferl- und Eisenbahnfahrt) erst einen Tag später erwartet worden. Aber schlussendlich konnte das ein wirklich italienisches Restaurant nicht erschüttern. Improvisation funktioniert dort auch in der Küche, nicht nur in der Technik.
Insgesamt war die Veranstaltung wesentlich gelungener als die Sizilienfahrt 2004, und daher sicher nicht unsere letzte Carovana; herzlichen Dank an die Organisation!
Für Interessenten: www.carovanaromantica.it
Helmut & Petra Huber